Emma Donoghue - RAUM

Wortwanderin | 9. Oktober 2013 | / / / |
„RAUM“ ist ein Buch, welches ich schon lange lesen wollte. Für gewöhnlich meide ich Bücher, die groß gehypet werden/wurden, denn in aller Regel gefallen sie mir dann doch nicht. Hier wollte ich eine Ausnahme machen, obwohl die Thematik wirklich nichts ist, wovon man sagen kann, man lese es wirklich „gern“. Was „RAUM“ letztlich in mir ausgelöst hat, lest ihr hier.

Buchdaten

Autor: Emma Donoghue
Titel: RAUM
Originaltitel: ROOM
Verlag: Piper
Seitenzahl: 410
Genre: Roman, Thriller
Preis: 19,99€ (gebundene Ausgabe) | 9,99€ (TB) | 8,49€ (Kindle Edition)
Verfilmung: Angekündigt, Cast wird aktuell noch gesucht

Inhalt

Jack ist gerade fünf Jahre alte geworden und lebt mit seiner Mutter in Raum. Raum ist alles was er kennt, zwölf Quadratmeter groß und seine ganze Welt. Er schaut gerne fern, doch er weiß, alles was er dort sieht, ist nicht echt – echt sind nur er, seine Ma und die Dinge in Raum. Der Tag kommt, an dem seine Mutter ihm erklärt, dass es außerhalb von Raum noch eine Welt gibt und dass sie versuchen müssen, aus Raum zu fliehen…

Leseeindrücke

Das gesamte Buch wird aus der Sicht von Jack erzählt, was dem ganzen Grauen eine unverwüstlich positive Note gibt. Der Kontrast zwischen dem Schrecken und seiner eigenen liebevollen Wahrnehmung ist packend, schön und bittersüß. Die kindliche Gedankenwelt des 5-jährigen, der nie etwas anderes als Raum gesehen hat, lässt den Leser mit tiefem Bedauern und purer Faszination zurück. Denn Jack liebt Raum, es ist sein Zuhause und dass es im „Draußen“ noch etwas anderes geben soll, versteht er nicht. Für ihn ist Raum ein Planet, die Serien im TV sind andere Planeten, die er nicht betreten kann. Außerhalb von Raum gibt es für ihn nichts und für den völlig abgeschotteten Jungen ist es äußerst schwer begreifbar, was seine Ma ihm zu erklären versucht. Jack weiß nur, dass Old Nick noch „in echt“ ist, so wie er und Ma. Denn Old Nick kommt fast jede Nacht zu Ma. Erst piepst die Tür, dann kommt er herein und lässt das Bett quietschen. Jack schläft in einem Schrank, um das Elend nicht sehen zu müssen.
Offizieller RAUM-Grundriss zur Veranschaulichung

Für den Leser erschließt sich schnell, was mit Jack und seiner Mutter passiert ist. Jedoch bleiben die genauen Hintergründe und die Umstände der Gefangenschaft bis etwa zur Mitte des  Buches im Dunkeln. Interessant ist die Herangehensweise der Autorin zu Beginn, denn wir lernen die Tage in Raum kennen. 130 Seiten lang „quält“ sich der Leser durch eine Beschreibung des eigentlich immer gleichen Tages, der nur in wenigen Facetten variiert und lediglich durch Jacks Erzählung an Wärme gewinnt. Manche Kritiker finden dies langweilig, ich gehe aber davon aus, dass Emma Donoghue diesen Teil mit purer Absicht so ausgedehnt hat. Denn man wird beim Lesen beinahe selbst verrückt. Gerade als man meint, noch einen weiteren Tag in Raum ertrage man nicht, nimmt die Geschichte Fahrt auf.

Jack ist ein wunderbarer, wenn auch anstrengender Protagonist. Typisch für ein kleines Kind hat er seine herzerwärmenden Momente, wie auch Situationen in denen klar wird, dass er bockig und unverständig wie eben jeder andere Junge sein kann. Verständlich ist auch seine unglaublich intensive Bindung zwischen seiner Mutter und ihm, die er durch den Ausbruch aus Raum geradezu gefährdet sieht und sich deswegen häufig weigert, den Fluchtplan durchzuführen. Seine Mutter ist eine überragende Persönlichkeit, für die ich tiefe Bewunderung empfinde. Das Abhängigkeitsverhältnis zu Old Nick lässt sie Jack kaum spüren und überschüttet ihn mit Liebe. Sie macht ihm die Tage so angenehm wie möglich und beschäftigt sich ohne Unterlass mit ihm. Ihre Verzweiflung, die schwindende Kraft treten nur selten nach außen, so dass Jack es bemerkt.

Jacks Sprache ist mindestens so kontrastreich, wie seine Situation. Durch die mangelnden Beschäftigungsmöglichkeiten in Raum (von denen er aber nichts weiß), hat ihm seine Ma Lesen, Schreiben und Rechnen beigebracht. All dies beherrscht er überdurchschnittlich gut, und so erzählt er auf eine Weise, die für einen so kleinen Jungen eigentlich unmöglich ist. Doch seine Isolation zeigt sich auch in seiner Sprache, so kennt er diverse Wörter nicht oder beschreibt Dinge auf seine Weise. Gegenstände in Raum beispielsweise, tragen bei ihm keinen Artikel, sondern Namen. Er sagt „Ich klettere auf Tisch“, „In Schrank ist es dunkel“ usw.

Beim Lesen taucht man völlig in das Buch ab. Die Autorin fängt einen und schottet den Leser völlig ab. Ein äußerst interessanter Aspekt, wenn man den Kern der Geschichte betrachtet. Auch wenn das Buch keins der Sorte ist, die man schnell weg liest, so sitzt man doch oft stundenlang zusammen mit Jack und Ma in Raum und leidet, hofft und fiebert mit.

Fazit

Ich könnte noch viel, viel mehr zu diesem Roman schreiben, doch könnte ich nie das intensive Gefühl, welches ich beim Lesen hatte, einfangen. Für mich ist „Raum“ ein höchst empfehlenswertes, wertvolles Buch. Schon lange war ich von einem Roman nicht mehr so gefesselt und begeistert. Ich vergebe fünf Melonen und warte nun gespannt auf die Verfilmung. Mal sehen, wie sie das Buch umgesetzt haben.

linkwithin